
„Ich geb’s zu – mich hat der Ehrgeiz gepackt“, lacht sie. „Ich wollte die Erste sein, die es schafft.“ Beim zweiten Versuch klappte es. Wieder schnürte sie ihre Wanderschuhe, packte den Rucksack und startete – allein, weil sie, wie sie sagt, „keinem erklären wollte, wann Pause ist“.
Der Oberhessensteig ist das Projekt, das die Kommunen der Landesgartenschau 2027 verbindet. Der Vogelsberger Höhenclub hatte die Strecke initiiert. Sie führt durch herrliche Landschaften, bietet abwechslungsreiche Routen, imposante Fernblicke und kulturelle Entdeckungen sowie ein Stück Vulkangeschichte. Indian Summer auf Hessisch: Sonnenstrahlen lassen im Herbst das Laub leuchten, Kastanien und Walnüsse purzeln auf die Erde – einfach idyllisch.
Doch nicht immer. Jenes Herbstwochenende brachte Dauerregen, kühle Temperaturen und Sturm. „Von 39 Stunden waren drei trocken“, erzählt sie. Der Regen sickerte durch ihre Jacke, machte die angeblich wasserdichten Stiefel schwer. Stockheim, Büdingen, Bindsachsen, Gedern … nur die Umrisse der Taufsteinhütte am Hoherodskopf sah sie durch den Nebel. Heftiger Wind fegte durch den Wald, Äste knackten. Aufgeben? Kam nicht infrage – auch nicht, als sie nach einer kurzen Rast merkte, dass sie ihre Brille vergessen hatte. Also: drei Kilometer zurück.

Nachrichten von Freunden halfen. „Nur noch ein paar Kilometer, das schaffst du!“ – diese Worte hielten sie auf Kurs. Und dann gab es Momente, die alles wettmachten: Als in Düdelsheim plötzlich ein unbekannter Mann mit einer Tasse Kaffee auf sie wartete. Oder als Margit Bopp ihr Kürbissuppe in der Thermoskanne und trockene Kleidung brachte. Volker Berg von den Limestretern steuerte eine Powerbank, Nicole Aviény Verpflegung bei. Besonders war der Moment, als sie an einer Pferdekoppel vorbeilief, kurz die Sonne durchbrach und die Tiere sie ein Stück hinter dem Zaun begleiteten.
In Nidda wartete Stefan Grumbrecht mit einem Leberkäsbrötchen. „Eine Wanderung ohne Leberkäsbrötchen? Das geht gar nicht“, sagt Karin Rühl und lacht. Nachts, nach 39 Stunden empfing, sie Margit Bopp mit Kerzen, Musik und warmem Tee in der Kulturhalle in Stockheim. Sie hatte das Ziel erreicht. „Da waren alle Strapazen vergessen.“Am nächsten Morgen? Keine Blasen, keine Beschwerden – nur geschwollene Füße und Stolz.
Für Karin Rühl ist der Oberhessensteig weit mehr als eine sportliche Herausforderung. „Diese Landschaft ist einmalig – diese Hügel, die Dörfer, das Licht. Das gibt’s so nur hier.“ Ihr Tipp: „Bitte nicht in einem Stück wandern! Lieber als Tagestouren. Jede Etappe ist schön – und die meisten sind sogar kinderwagentauglich.“ Wer zur Landesgartenschau kommt, sollte wenigstens ein Stück des Steigs mitnehmen. „Schotten, Gedern, Bad Salzhausen – das muss sein.“
Ganz nebenbei hat Karin ihre Wanderung einem guten Zweck gewidmet: Sie sammelt Spenden für die Deutsche Krebshilfe. „Ich wollte zeigen, dass man mit Bewegung auch etwas bewegen kann.“
Spenden für die Deutsche Krebshilfe sind unter folgendem Link möglich:
🔗 https://www.krebshilfe.de/spenden-aktiv-werden/aktiv-werden/online-spendenaktion-starten/spendenaktion/kinder-sind-unsere-zukunft/